Informelle Lernprozesse sind zu wichtig, um sie dem Zufall zu überlassen! Teil 2

In der Fortsetzung unserer Beitrags legen wir den Fokus auf die praktische Anwendung und stellen Checklisten mit Fragestellungen bereit. Nutzen Sie diese, um die Rahmenbedingungen für informelles Lernen auf Social Collaboration Plattformen zu schaffen und somit die Entstehung einer kollaborativen Lernkultur weiter zu unterstützen!
Von Anja Schmitz und Jan Foelsing
Die Ebene der Organisation
Primärer Enabler auf organisationaler Ebene ist die Führungskraft. Ihre Unterstützung, Aufmerksamkeit und Wertschätzung der Nutzung der Plattform und der daraus resultierenden Lernprozesse haben den größten Einfluss auf das Lernverhalten der Mitarbeitenden.
Checkliste:
- Spricht die Führungskraft die Mitarbeitenden auf die Nutzung der Plattform an?
- Wertschätzt die Führungskraft Beiträge auf der Plattform?
- Thematisiert die Führungskraft das durch Vernetzung neu entstandene Wissen?
- Agieren die Führungskräfte als Vorbild und teilen ihre Erfahrungen zum informellen Lernen?
- Sind die Führungskräfte aktive Nutzer der Plattform?
- …
Darüber hinaus kann informelles Lernen durch formale und informelle organisationale Unterstützung gefördert werden. Auf formaler Ebene kann informelles Lernverhalten durch entsprechende Prozesse und Systeme unterstützt werden. Informell durch eine entsprechende Lernkultur.
Checkliste:
- Belohnen die Anerkennungs-Systeme kollaboratives Lernen, nach dem Motto „Wissen teilen, gewinnt Meilen“?
- Ist das Teilen und gemeinsame Erstellen von Wissen Teil der Zielvereinbarungen?
- Sind soziale Lernprozesse Teil des Onboarding-Prozesses?
- Können informelle Lernergebnisse bzw. –events genauso dokumentiert werden wie die Teilnahme an formellem Lernen?
- Gibt es Informationen für Mitarbeitende zu der Bedeutung und den Erfolgsfaktoren informellen Lernens sowie der Nutzung sozialer Kollaborationssysteme?
- Wie sieht die interne Lernkultur aus? Welchen Lern-Reifegrad hat die Organisation? (siehe hierzu: Welche Farbe hat das Lernen?)
- Wird den neuen Mitarbeitern eine offene Lernkultur vorgelebt?
- Darf man auch über „Fehler“ sprechen?
- Wird eine Kultur der Transparenz und des Teilens vorgelebt?
- …
Die Ebene der Arbeitstätigkeit
Informelle Lernprozesse erfolgen dann, wenn Lernende mit neuen Herausforderungen konfrontiert sind, Ressourcen zur Verfügung haben (z.B. Zeit, Zugang zu Wissen und Rückzugsorte), über Handlungsspielraum verfügen und das Gelernte anwenden können. Soziale Lernprozesse, d.h. Austausch im Lernen mit anderen ist vor allem dann von Nutzen, wenn die Aufgaben über eine hohe Komplexität und Uneindeutigkeit verfügen.
Checkliste:
- Sind die Mitarbeitenden mit Aufgaben konfrontiert, für die sie Wissen anderer Abteilungen, Standorte, Unternehmensbereiche benötigen?
- Wird die Zeit zur Netzwerkpflege eingeplant?
- Können die neuen Erkenntnisse in der Arbeitstätigkeit und im Team eingebracht werden?
- Ist die Reflexion von Tätigkeiten im Team bereits ein natürlicher Teil der Zusammenarbeit?
- Gibt es für die Mitarbeitenden die Möglichkeit aus Problemen im Arbeitsprozess, Lernräume zur Lösung der Probleme zu kreieren?
- …
Die Ebene der Person des Lernenden
Auf Ebene der Lernenden selbst bestehen unterschiedliche Einflussfaktoren. Unter Einflussfaktoren, die veränderlich sind, ist insbesondere der empfundene Nutzen des Lernens von Bedeutung. Lernende haben dann eine hohe Wahrscheinlichkeit Social Collaboration Plattformen für informelles Lernen zu nutzen, wenn sie für sich Sinn und Nützlichkeit des Lernens erkennen, d.h. durch das Lernen eigene Bedürfnisse erfüllen können. Von ebenfalls großer Bedeutung ist die Lernzielorientierung, oder das Growth Mindset. D.h. Personen, die den Austausch auf Social Collaboration Plattformen als Möglichkeit betrachten, Dinge besser zu verstehen und mehr zu erfahren, statt als Möglichkeit Leistung zu demonstrieren und Erfolg zu haben (Growth Mindset anstatt Fixed Mindset), zeigen bessere Lernergebnisse.
Checkliste:
- Kennen Ihre Mitarbeitenden den Unterschied zwischen Growth Mindset und Fixed Mindset?
- Führen Sie eine Bedarfsanalyse für informellen Lernbedarf durch?
- Sind sich die Lernenden darüber bewusst, wie oft sie informell lernen, oder ist für diese der Begriff Lernen noch an einen Klassenraum gebunden?
- …
Unter die Einflussfaktoren, die die Wahrscheinlichkeit für informelles Lernen erhöhen, aber weniger beeinflussbar sind, fallen Persönlichkeitseigenschaften. Kombinierte hohe Ausprägungen der Eigenschaften Extraversion, Offenheit für Neues und Kooperationsbereitschaft (Verträglichkeit) zeigen die höchsten Zusammenhänge mit informellem Lernverhalten.
Fazit
Informelle Lernprozesse haben in Organisationen eine große Bedeutung, werden aber noch nicht in gleichem Maße gefördert wie formale Lernprozesse. Gerade die Förderung informeller Lernprozesse im Zusammenhang der Nutzung von Social Collaboration Plattformen scheint hier noch ein großes Potenzial für die Förderung von Innovationen in Organisationen zu bergen.
Wir sind gespannt darauf, Sie auf dem L&Dpro Expofestival zu sehen und uns mit Ihnen auszutauschen: Wie fördert ihre Lernkultur die Innovationskultur Ihrer Organisation? Auf den Aspekt des „innovation-oriented Learning“ werden wir in einem weiteren Blogartikel noch einmal etwas genauer eingehen, da wir hierin noch viel Raum für Optimierungen sehen.
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Jan Foelsing
Jan Foelsing ist Learning- und NewWork-Designer. Zurzeit ist er an der Hochschule Pforzheim verantwortlich für die Themen „moderne Lernformen“ und „digitale gestützte Zusammenarbeit“. Des Weiteren ist er Dozent für Projektmanagement, Freiberufler, Gründer, Speaker und Autor. Eine zukunftsfähige Entwicklung von Systemen bedeutet für ihn: (Lernen + Zusammenarbeiten + Kreativität + Entrepreneurship + Mut) * digitale Unterstützung.