Warum digitales Lernen allein nicht reicht

Ein Merkmal des digitalen Wandels ist die stete Veränderung. Um einen Job machen zu können, braucht es Grundlagenwissen, schnelle Hilfen bei häufig wechselnden Anforderungen und Expertenwissen, das im Bedarfsfall gefunden werden muss. In der Wissens- und Lernlandschaft einer Organisation müssen Lernen, Performance Support und Wissensmanagement  zusammenspielen.

Training, E-Learning und andere Lernangebote sollen einen langfristigen Zuwachs an Wissen und Fähigkeiten oder Verhaltensänderungen herbeiführen, um die Leistung der Beschäftigten zu steigern oder genau die Kompetenzen zu erlangen, die im Job gefragt sind. Lern- und Lehrtätigkeiten zielen darauf ab, nachhaltiges Wissen und Können aufzubauen, aber auch ein Bewusstsein für möglicherweise auftretende Probleme zu schaffen.

Denken wir etwa an Compliance-Themen oder die neue Datenschutzgrundverordnung, die starke Treiber zum Beispiel im E-Learning sind. Die Mitarbeiter müssen wissen, um was es geht, um Regelverstöße zu vermeiden und ein Bewusstsein für regelkonformes Verhalten zu entwickeln.  Auch in vielen anderen Bereichen, helfen strukturierte Lernprogramme, Grundlagen- und fortgeschrittenes Wissen aufzubauen und ein erwünschtes Verhalten zu verankern. Digitale wie Weiterbildungsangebote im Präsenzformat können Menschen für neues Lernen begeistern und ihnen helfen, Vertrauen in das eigene Können aufzubauen.

Denken wir nur an praktische Übungen, wie sie zum Beispiel bei bestimmten handwerklichen Tätigkeiten gefragt sind. Weil aber selbst die  immer komplexer werden und sich das nötige Wissen, zum Beispiel um eine Maschine zu bedienen, schneller ändert, als Kurse überhaupt konzipiert werden können, verlagert sich der Schwerpunkt darauf, die Lernenden am Arbeitsplatz zu unterstützen, Lernen in den Prozess der Arbeit zu integrieren.

Wann Performance Support, wann ein Kursangebot? 

Eine der wichtigsten Aufgaben von Personalentwicklung ist es zu entscheiden, was in einem Kurs, sei es als Präsenzseminar, E-Learning oder im Blended-Learning-Format, gelernt werden muss oder was als Ressource für die direkte Leistungsunterstützung zur Verfügung gestellt werden sollte. Die direkte Leistungsunterstützung, Performance Support, bietet sich demnach an wenn:

  • Eine bestimmte Aufgabe oder Leistungsanforderung nur sehr selten vorkommt. Beispiel: Ein Formular, dass nur einmal im Jahr ausgefüllt werden muss.
  • Eine Aufgabe sehr komplex ist, unter Einhaltung bestimmter Regeln und in einer bestimmten Reihenfolge ausgeführt werden muss. Hier können elektronische Hilfen als Erinnerungsstütze dienen und gleichzeitig Sicherheit geben und die Fehleranfälligkeit senken.
  • Ein Problem oder ein Fehler aufgetaucht ist. Ein Supportsystem kann bei der Fehleranalyse helfen und Lösungsansätze aufzeigen oder gleich den Kontakt zu entsprechenden Experten herstellen.
  • Ein neuer Mitarbeiter eingearbeitet werden muss, eine Vertretung muss den Job machen oder es herrscht eine hohe Fluktuation. Performance Support hilft den Mitarbeitern in diesem Fall, sich schnell einzuarbeiten und leistungsfähig zu sein.
  • Den Lerntransfer sichern. Es ist effizienter, sich bei Trainings auf die wirklich wichtigen Grundlagenthemen zu beschränken. Einzelne Details, etwa zum Ausfüllen einer Software-Maske, lassen sich besser mit Performance Support im Bedarfsfall unterstützen.

Auf einer übergeordneten Ebene hat der us-amerikanische Experte Bob Mosher „Five Moments of Need“ für Performance Support definiert:

  1. Wenn Menschen neu lernen, etwas zu tun;
  2. Wenn Menschen ihr erlerntes Wissen vertiefen;
  3. Wenn sie das Gelernte umsetzen müssen.
  4. Wenn Probleme auftauchen, sich etwas verändert hat oder nicht wie gewohnt funktioniert.
  5. Wenn Menschen eine neue Herangehensweise lernen müssen und Kompetenzen in ihrem Handeln verändern, die tief  verankert sind.

Bei der Konzeption von Inhalten ist wichtig, den User an seinem Arbeitsplatz, in seinem Arbeitsumfeld, in den Mittelpunkt zu stellen. Mosher hat dafür vier Prinzipien festgehalten, die befolgt werden sollten und Performance Support von anderen Lernangeboten unterscheiden:

  1. Die Inhalte müssen eingebettet in den Workflow sein und zum Zeitpunkt der Anwendung (des Bedarfs) jederzeit verfügbar.
  2. Die Inhalte müssen kontextbezogen in Bezug auf spezifische Rollen und unterschiedliche Zugriffsanforderungen sein.
  3. Der Umfang muss gerade genug sein, um die Aufgaben zu erfüllen, die der  Geschäftsprozess erfordert.
  4. Es sollte sich um für den Nutzer vertrauenswürdige und kuratierte Inhalte handeln, die eine gemeinsame Sprache und sinnvolle soziale Zusammenarbeit unterstützen.

Performance Support kann – und sollte – gleichzeitig der Dreh- und Angelpunkt zwischen Lernen und Wissensmanagement sein. Wenn man etwa nicht nur schnelle Hilfen ermöglicht, sondern den Mitarbeitenden darüber die Gelegenheit gibt, mehr zu erfahren. Sei es, weil es sie besonders interessiert, sei es, weil sie größere Wissenslücken in diesem Bereich feststellen. Die kurzen Hilfen können zum Beispiel Links auf ein spezielles Kursangebot enthalten, auf eine interne Datenbank, Wikis und Blogs hinweisen und auf im Unternehmen vorhandene Experten.

Wie tief ein Mitarbeiter in das Thema einsteigen möchte, kann er dann selbst entscheiden. Mehr als 30 Minuten verbringen 42 Prozent der Mitarbeiter im Unternehmen damit, eine relevante Information zu suchen, stellte im letzten Herbst eine Umfrage zum „Wissensmanagement im Mittelstand“  unter 1.600 Büroangestellten in Deutschland und Österreich fest. Das bedeutet umgekehrt, dass Mitarbeiter 16 Prozent ihrer Arbeitszeit nur deshalb nicht produktiv sein können, weil das benötigte Wissen zwar im Unternehmen vorhanden ist, aber nicht oder nur schwer zugänglich ist und das es am Wissensaustausch mangelt. Mit einem strukturierten Lern- und Wissensangebot im Unternehmen lässt sich die Leistungsfähigkeit und das Selbstmanagement

 

Foto von Autorin Grudun Porath_Autorin der Trendkolumne
Gudrun Porath
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Gudrun Porath ist freie Journalistin und Moderatorin. Die studierte Kulturwissenschaftlerin arbeitete für Tageszeitungen, bis sie 1999 zu einem jungen Kommunikationssoftware-Unternehmen wechselte und dort unter anderem nach dem Börsengang die Finanzmarktkommunikation verantwortete. 2005 machte sie sich als Journalistin selbstständig und spezialisierte sich auf die Themen digitales Lernen und Weiterbildung, über die sie seitdem für Fachzeitschriften schreibt und Veranstaltungen moderiert. Auf haufe.de erscheint ihre E-Learning-Kolumne.

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