Keynote Dr. Erwin Bratengeyer im Interview

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Foto: Hitesh Choudhary auf Unsplash

Künstliche Intelligenz, Quantencomputing und Neurotechnologien könnten die Art und Weise, wie wir lernen, radikal verändern – und damit die Spezies Mensch in eine neue Dimension katapultieren. Im Vorfeld zu seiner Keynote „Die schöne neue Welt der künstlichen Intelligenz“ hat der Hochschulexperte unsere Fragen beantwortet.

Dr. Bratengeyer, der Begriff künstliche Intelligenz wird aktuell für alle möglichen Technologien verwendet, die irgendwie „smart“ erscheinen. Was meint der Begriff wirklich?

Das ist gar nicht leicht zu sagen, weil ja auch die Frage „Was ist Intelligenz?“ nicht einfach zu beantworten ist. Wir haben zwar alle ein ungefähres Verständnis davon, assoziieren damit vor allem den IQ, aber reicht das aus? Und wenn wir das Wort „künstlich“ dazunehmen, wird nicht viel klarer, was gemeint ist. Erschwerend hinzu kommt, dass die Bandbreite der künstlichen Intelligenz groß ist. Wir unterscheiden zwischen schwacher und starker oder allgemeiner künstlicher Intelligenz. Auf dem einen Ende der Skala stehen Siri & Co., auf dem anderen stehen Avatare, wie wir sie aus Science-Fiction-Filmen kennen.

Welche Eigenschaften verbinden Sie mit künstlicher Intelligenz?

Aussagekräftiger als Expertendefinitionen sind manchmal die Assoziationen von Laien. Aus einer Befragung von 1.000 erwachsenen Deutschen ging hervor, dass sie mit dem Begriff künstliche Intelligenz vor allem logisches Denken, Sprachverständnis, die Fähigkeit, zu lernen und Probleme zu lösen, sowie insgesamt menschenähnliches Verhalten verstehen (siehe Literaturtipp). Die Teilnehmer wurden auch nach ihren Befürchtungen bezogen auf künstliche Intelligenz gefragt – und sie nannten die Angst, dass diese Arbeitsplätze übernehmen, Menschen überwachen und beherrschen könnten. Das assoziieren wir also heute im Allgemeinen mit künstlicher Intelligenz.

Sind die Befürchtungen berechtigt?

Diese Frage beschäftigt Denker aller Domänen und die Wissenschaftler selbst sind sich uneins. Der kürzlich verstorbene Säulenheilige der Theoretischen Physik, Stephen Hawking, sagte sinngemäß: „Wenn wir mit der Entwicklung der künstlichen Intelligenz so weitermachen wie bisher, bedeutet dies das Ende der Menschheit“. Damit steht er nicht alleine. Es gibt anerkannte Philosophen, die in die gleiche Kerbe schlagen, aber auch Unternehmer wie zum Beispiel Tesla-Chef Elon Musk. Die Angst liegt darin begründet, dass wir nicht abschätzen können, was mit uns Menschen in der unterlegenen Position passiert. Wenn nun Systeme über den Käfig hinaus agieren können – und diese Entwicklung tritt schrittweise ein, dann ist nicht klar, was daraus wird. Andere sagen: „Ja das wird so sein, aber das ist gut so“. Denn wir als Menschheit waren ja bei der Lösung unserer globalen und individuellen Probleme nicht so erfolgreich. Also ist es dann ja nur begrüßenswert, wenn uns jemand oder etwas zur Seite steht. Unter denen, die dieser Entwicklung etwas Positives abgewinnen können, ist die schillernde Figur, der Autor, Erfinder und Futurist Ray Kurzweil, der heute Forschungsdirektor bei Google ist. Schon seit den 1980er-Jahren macht er Prognosen, was wir mit künstlicher Intelligenz alles erreichen könnten – und er hat häufig recht behalten. Kurzweil spricht von der „technologischen Singularität“. Das meint, dass sich ein Kurvenverlauf ins Unendliche entwickelt – in eine Größenordnung, von der wir nicht wissen, was sie bedeutet. Einige haben davor Angst, für andere ist es das Heilsversprechen.

Wo stehen wir heute bezogen auf den Einsatz künstlicher Intelligenz in der Arbeitswelt?

Die künstliche Intelligenz gibt es als Begriff und Projekt schon seit Mitte der 1950er-Jahre. Sie hat eine bewegte Geschichte hinter sich und es gab so manche Phasen, in denen sie als tot oder ergebnislos definiert wurde. Das geschah ein paarmal zwischen den späten 1950er-Jahren und dem Ende des vergangenen Jahrtausends. Dabei ist nur nicht ganz klar, an welchem Punkt der Entwicklung wir uns heute befinden: Wenn wir uns einen exponentiellen Kurvenverlauf vorstellen, der aussieht wie ein Eishockeystock, dann passt das ganz gut zur Entwicklung der künstlichen Intelligenz. Am Anfang geht kaum etwas weiter in diesem nahezu linear flach verlaufenden Teil des Eishockeystocks, der am Eis aufliegt – bis es dann explosionsartig in einem sehr kurzen Zeitraum steil nach oben geht, weil sich die Errungenschaften geradezu überschlagen. Das ist das Wesen einer exponentiellen Entwicklung. Wir dürfen davon ausgehen, dass die Entwicklung der künstlichen Intelligenz einem exponentiellen Verlauf entspricht. Jetzt können wir nur noch darüber diskutieren, ob wir uns knapp davor, mittendrin oder nach diesem Kurvenpunkt, also dem Knick im Eishockeystock, befinden. Da mögen sich die Geister scheiden, aber das ist wenig relevant, denn es handelt sich nur um Differenzen von einigen Jahren mehr oder weniger.

Im Zuge dieser Entwicklung würden die Systeme immer intelligenter werden – und sich auch selbst weiterentwickeln. Wie lernfähig sind Anwendungen der künstlichen Intelligenz denn heute schon?

Hier gibt es Fortschritte, die aber auch unterschiedlich eingeschätzt werden. Wir sprechen von Machine Learning, wenn Systeme in der Lage sind, mit Daten – im optimalen Fall mit beliebigen unstrukturierten Daten – so umzugehen, dass sinnvolle Ergebnisse rauskommen – und zwar ohne dass ein Experte seine Finger im Spiel hat. Wenn dieses Machine Larning dann auch mit der Fähigkeit – sprich dem Algorithmus – ausgestattet ist, selbst zu lernen, dann sprechen wir von Deep Learning. Dieses Deep Learning, basierend auf mittlerweile recht erfolgreichen Architekturen – den künstlichen neuronalen Netzen, hat das Potenzial, sich selbst zu verbessern. Für die einen sind diese

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Foto von Autorin Bettina Geuenich auf dem Blog der L&Dpro
Bettina Geuenich
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Bettina Geuenich ist Chefredakteurin des "personal manager", der alle zwei Monate erscheinenden Fachzeitschrift für Entscheidungsträger im Human Ressource Management. Das aktuelle, unabhängige, marktnahe und kritische Branchenmagazin wendet sich an Geschäftsführer, Personalleiter, Personalrecruiter, Lohn- und Gehaltsverrechner, DV-Profis und Berater in Unternehmen.

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