Neues Jahr – neue Chancen für Weiterbildungsanbieter

Der Umbau der Industrie und die wachsende Fachkräftelücke eröffnen E-Learning und Weiterbildungsanbietern neue Chancen. Neue Umfragen verheißen weitere Investitionen in Weiterbildung.
Yougov etwa hat im Auftrag des Softwareanbieters Sage herausgefunden, dass 66 Prozent der deutschen Unternehmen planen, in die digitalen Kenntnisse und Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter zu investieren. Das ist keine große Überraschung, denn das Thema beherrscht seit einigen Jahren die Weiterbildungsdiskussion. Als Gründe für die Investitionsbereitschaft werden angeführt, dass die digitalen Kenntnisse für die Geschäftsstrategie gebraucht (44 Prozent) werden, allgemein wichtig seien (37 Prozent) oder einen Wettbewerbsvorteil bedeuten könnten (36 Prozent). Davon versprechen sie sich Produktivitätssteigerungen (42 Prozent), flexiblere Arbeitsbedingungen (39 Prozent) und verbesserten Kundenservice (39 Prozent).
Bei den Investitionen stehen digitale Lernportale (68 Prozent) ebenso im Fokus wie digitale Ausbildung (64 Prozent) allgemein. Dabei sind es demnach vor allem die großen Unternehmen (77 Prozent) und mittelständischen Betriebe (68 Prozent), die investieren möchten, während kleinere Unternehmen (54 Prozent) diese Notwendigkeit nicht sehen. Wie ist das zu interpretieren und was bedeutet das für Anbieter wie Nachfrager?
Zuerst einmal gibt es in vielen Unternehmen bereits digitale Lerntechnologien wie Lernportale. Die erste oder zweite Generation in nun technisch veraltet. Häufig ist das ein Lernportal, das noch auf eigenen Servern lokal betrieben wurde und hohe Anfangsinvestitionen erforderte, weil die Software gekauft werden musste (On-Premise) und das vor allem der Verwaltung und Auslieferung von E-Learning-Programmen wie der Organisation von Präsenztrainings dient und diente. Zeitgemäßer erscheinen Lernportale, die als Software-as-a-Service in der Cloud betrieben werden und es leichter machen, Lerninhalte aus den verschiedensten Quellen zu nutzen oder von den Usern selbst generierten Content. Die jüngste Variante dieser Lernportale, die traditionelle Learning Management Systeme (LMS) in der Regel nicht ablösen, sondern ergänzen, nennen sich Learning Experience Plattform (LXP) oder auch Next Generation Learing Environment (NGLE). War die Entscheidung für eine Lernsoftware wie ein Lernportal in der Vergangenheit oft rein von regulatorischen Vorgaben und der Frage nach Einsparpotential bei Weiterbildung getrieben, steht bei Anbietern wie Unternehmen heute der Nutzer im Mittelpunkt. Damit erfährt endlich auch das User Interface neue Aufmerksamkeit oder besser noch die Aufmerksamkeit, die es verdient. Es ist ja eigentlich logisch, dass Lernen im betrieblichen Umfeld nur etwas bringt, wenn die Mitarbeitenden entweder genau dann Wissen passgenau abrufen können, wenn es gebraucht wird. Oder das Lernportal und die zur Verfügung gestellten bzw. nutzbaren Lerninhalte so attraktiv sind, dass man sie zwischendurch immer wieder und vor allem freiwillig nutzt.
Warum bleibt die Investitionsbereitschaft bei kleineren Betrieben hinter größeren Unternehmen zurück? Das erfordert eine vielschichtige Antwort. Viele mögen die Notwendigkeit vielleicht nicht sehen, selbst zu investieren. Nicht, weil sie sich nicht bewusst sind, dass sie ihre Mitarbeiter weiterbilden sollen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Vielmehr gibt es bereits häufig ein reichhaltiges Angebot über Innungen, Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern oder Businesspartner. Der Kälte- und Klimatechnikanbieter Viessmann etwa hat bei der Einführung eines neuen E-Learning-Portals auch darauf geachtet, dass sich die Mitarbeiter der selbstständigen Handwerksbetriebe, die die Produkte des Unternehmens beim Endkunden verkaufen und installieren, es ebenso nutzen können. Das muss nachvollziehbar sein, ohne dass ein erhöhter Verwaltungsaufwand entsteht.
Ein Lernportal kann also einen mittelständischen Betrieb für Partner attraktiv machen. Das gilt nicht nur für Partner, sondern auch für Mitarbeiter. Immerhin – so hat der Branchenverband Bitkom ermittelt – sehen sieben von 10 Unternehmen (69 Prozent) Weiterbildung generell als eine wichtige Maßnahme an, die eigene Attraktivität für neue Mitarbeiter zu steigern. Diese Chance sollten die Anbieter nutzen.
Quellen:

Gudrun Porath
Gudrun Porath ist freie Journalistin und Moderatorin. Die studierte Kulturwissenschaftlerin arbeitete für Tageszeitungen, bis sie 1999 zu einem jungen Kommunikationssoftware-Unternehmen wechselte und dort unter anderem nach dem Börsengang die Finanzmarktkommunikation verantwortete. 2005 machte sie sich als Journalistin selbstständig und spezialisierte sich auf die Themen digitales Lernen und Weiterbildung, über die sie seitdem für Fachzeitschriften schreibt und Veranstaltungen moderiert. Auf haufe.de erscheint ihre E-Learning-Kolumne.