Digitalisierung, die Diva der Arbeitswelt von morgen

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Foto: Markus Spiske auf Unsplash

Laut Duden ist eine Diva „jemand, der durch besondere Empfindlichkeit, durch exzentrische Allüren o. Ä. auffällt“.

Und genauso empfinde ich das Thema Digitalisierung in Bezug auf die (zukünftige) Arbeitswelt: Kein Artikel über New Work, Arbeitswelt der Zukunft oder ähnliches scheint ohne das Zugpferd Digitalisierung auszukommen.

Die Aufzählung könnte ich beliebig weiterführen, denn die Artikel zur Digitalisierung in der Arbeitswelt scheinen schier unendlich. Kein anderer Aspekt der neuen Arbeit schafft es, sich neben der Diva Digitalisierung zu behaupten. Schade! Denn meiner Meinung nach ist Digitalisierung bei weitem nicht die Sonne, um die sich alles drehen sollte. Digitalisierung im Sinne der Arbeitswelt ist doch nur ein Aspekt der zukünftigen Arbeitswelt unter mehreren (im Sinne neuer digitaler Geschäftsmodelle sieht es wahrscheinlich anders aus – aber das wird in den Artikeln nicht aufgegriffen). Oder? Das wäre eine spannende Frage, zu der es sicherlich unterschiedliche Meinungen gibt.

Worauf ich hinauswill, ist dass ich es für viel wichtiger halte, den Blick wieder auf das gesamte Ensemble der Arbeitsweltveränderung zu lenken. Wie verändert sich die Arbeitswelt für die Mitarbeiter und Führungskräfte insgesamt und welche Kompetenzen sind dazu nötig?

Ein zentraler Punkt der aktuellen Veränderungen ist, dass organisatorische Rahmen wegfallen und damit eine große Lücke bei Struktur und Orientierung öffnen. Sei es Home Office, flexible Arbeitszeiten, selbstbestimmtes Workplace-learning, agile und oder liquide Organisation mit flexiblen Arbeitsverträgen, Work-Life-Integration, hierarchiefreie Kommunikation … Starre Rahmen fallen und damit müssen wir lernen umzugehen. Und dann ist da ja auch noch die VUCA-Welt, die u. a. die Entscheidung, ob etwas richtig oder falsch ist und wie es sich auswirkt, verkompliziert. Aber hier ins Detail zu gehen, wäre nur der Wechsel zu einer anderen Diva. 😊

Diese Liste ist aus Sicht der Belegschaften die direkt erlebten Veränderungen. Sie bedingen andere Formen des Arbeitens und Kompetenzen wie Selbststeuerung, Resilienz, Lernkompetenz. Diese werden deutlich wichtiger, da die Freiheitsgrade des einzelnen immer größer werden. Digitale Kompetenzen sind hier definitiv nur ein Faktor unter vielen.

Im Rahmen eines Expertendelphis hat das Personalernetzwerk „Initiative Wege zur Selbst-GmbH“ e. V. versucht, ein Modell aufzustellen, das die wichtigsten Kompetenzen für die Arbeitswelt von morgen aufzeigt. https://selbst-gmbh.de/wp-content/uploads/Studie-Metakompetenzen-Selbst-GmbH.pdf

Grafik_Beitrag_Nele Graf_Digitalisierung_Diva
Abb.: Modell, sortiert nach Wichtigkeit und Homogenität

Selbstverständlich gehören die Digitalen Kompetenzen dazu, aber vielmehr werden personenbezogene Kompetenzen wichtig, um in der flexiblen, sich permanenten Umwelt sicher und gesund bewegen zu können. Deswegen ist es nicht ungewöhnlich, dass diese sogar wichtiger werden als die momentan so relevanten sozialen Kompetenzen.

So müssen Selbstorganisation (Wann bin ich per E-Mail und Handy erreichbar und wann nicht?), Resilienz (Wie schaffe ich es, psychisch gut mit Stresssituationen umzugehen?) Lernkompetenzen (Wie gestalte ich mein lebenslanges Lernen effizient, effektiv und motivierend?) und viele andere Anforderungen durch die neue Arbeitswelt erst gelernt werden – denn bisher konnten diese Kompetenzen durch Betriebsvereinbarungen, geordnete Strukturen und Karrierepfade bzw. Weiterbildungspläne und andere Regularien kompensiert werden. Doch das wird nicht mehr funktionieren.

Deshalb: Lassen Sie uns also die Diva Digitalisierung wieder in das Ensemble der neuen Arbeitswelt integrieren und den anderen Akteuren mehr Raum geben, denn eine Oper besteht auch nicht nur aus den Arien der Sopranistin sondern ist ein Gesamtkunstwerk mit vielen Beteiligten – genauso wie die Arbeitswelt von morgen!

Foto von Gastautorin Nele Graf im Blog der L&Dpro
Nele Graf
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Prof. Dr. Nele Graf leitet das CompetenceCenter for Innovation & Quality in Leadership & Learning der Hochschule für angewandtes Management GmbH Berlin und ist Geschäftsführerin der Mentus GmbH.

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