8 Schlüssel zu einer wirkungsvollen Blended Learning Kultur

„Stell dir vor, alle lernen digital und keiner macht mit.“ So könnte man die Lage der Personalentwicklung in den beginnenden 20er-Jahren des 21. Jahrhunderts salopp zusammenfassen. Viele Millionen Euro sind in den letzten Jahren in digitales Lernen geflossen, vor allen Dingen in die technische Umsetzung, wie Plattformen, Technologien etc.
Wo aber bleibt die Didaktik? Zumeist auf der Strecke. Den gleichen Fehler macht gerade auch die deutsche Schulpolitik: Es wird großzügig in Hardware investiert, doch selbst hier fehlen didaktisch sinnvolle Konzepte für die Vermittlung der Lernstoffe unter Anwendung der neuen Hardware. Meist wird einfach vorausgesetzt, dass die Didaktik der analogen Welt 1:1 in die digitale Lernwelt transferierbar sei.
Ein Schloss ohne Schlüssel
Kein Wunder, denn wir kommen ja irgendwie alle aus der analogen Lernwelt in den Schulen, Berufsschulen und Universitäten, die sich über Jahrhunderte verfestigt hat. Parallel hat sich eine digitale Unterhaltungsbranche, bestehend aus Fernsehen, Gamification und Telekommunikation, fest in unserem privaten Alltag etabliert.
Beides wurde lange Zeit voneinander getrennt betrachtet. Zwar gab es schon vor rund einem halben Jahrhundert erste Versuche, Lehrfilme in den Unterricht zu integrieren und Kindern in so genannten „Sprachlaboren“ technische Unterstützung beim Üben von Fremdsprachen zu geben. Doch diese kamen manchmal mehr, häufiger aber weniger gut bei den Lernenden an und führten ein kümmerliches Schattendasein.
Doch seit der Etablierung des Internets und der neuen digitalen Medien in unserem privaten wie auch beruflichen Alltag, verschiebt sich auch die bisher analog geprägte Lernwelt mehr und mehr in Richtung einer digitalen Lernwelt. Damit dieser Transfer zu erfolgreichen Lernergebnissen führt, ist nun eine Veränderung des Mindsets bei allen Lern-Beteiligten gefragt. Denn die derzeit beliebte Praxis, analoge Texte online zu stellen und diese ein wenig mit Quizfragen aufzupeppen, führt bei den Lernenden ähnlich schnell zu Langeweile und Überdruss, wie die oft betulichen Lehrfilme der 1970er Jahre.
Ein Ring sie zu binden
Um als Personalentwickler oder Lehrender heute Lernformate optimal zu gestalten, bedarf es zunächst einer Reihe von Vorüberlegungen. Sie bilden den „Schlüsselring“ zum Lernerfolg:
- Macht es grundsätzlich Sinn, alle Lerninhalte digital abbilden?
- Welche Lerninhalte eignen sich für analoges Lernen?
- Welche Inhalte eignen sich für digitales Lernen?
- Wie wird tatsächlich gelernt?
- Was soll tatsächlich gelernt werden?
- Welchen Reifegrad soll der Lerninhalt beim Lerner erreichen?
Für die digitale – und natürlich auch für die analoge – Aufbereitung der Lerninhalte ist es im nächsten Schritt hilfreich zu wissen, wie der Mensch gehirngerecht lernt. Hierzu hat die Neurodidaktik in den vergangenen Jahren viele grundlegende Erkenntnisse geliefert. Insbesondere aufbauend auf den „Neurologischen Binsenweisheiten“ der Neurowissenschaftlerin Katrin Hille lassen sich, stark vereinfacht, folgende „Schlüssel“ zu einer effektiven Aufbereitung von Lerninhalten ableiten:

Schlüssel 1: Neugier wecken
Unser Gehirn lernt am besten, wenn es dies freiwillig tut. Gerade wenn wir uns aus freien Stücken in einer digitalen Lernumgebung bewegen, sind Neugierwecker ein wichtiger Anreiz für Lernende, sich auf ein Angebot einzulassen – sei es durch einen humorvollen Einstieg, eine ungewöhnliche Optik oder eine provokante Headline, um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Schlüssel 2: Bedeutung schaffen
Reizdarbietung alleine reicht jedoch nicht aus, um den Lernenden bei der Stange zu halten. Nur wenn das Erlernen neuer Inhalte im täglichen Leben für den Lernenden Vorteile zu bringen scheint, macht unser Gehirn sich die Mühe, diese zu speichern. Gerade in der informationsüberfluteten digitalen Welt ist der Impuls, weiter zu zappen bzw. zu klicken, wesentlich stärker als in den analogen Pendants. Der Nutzen des Lernstoffs für den User sollte daher schnellstmöglich deutlich werden, sonst besteht die Gefahr, dass der User weg ist, bevor er einen Nutzen für sich erkennt.
Schlüssel 3: Erfahrungsbezug herstellen
Um von unserem Gehirn als bedeutungsvoll eingestuft zu werden, sollten die Lernstoffe einen klaren Bezug zur Erfahrungs- und Lebenswelt der Lernenden haben. Was interessiert mich ein Sack Reis, der in China umfällt? Etwas ganz anderes ist es, wenn derselbe Sack beim Umfallen einen deutschen Touristen aus meiner Nachbarschaft erschlägt. Die Technik des „Storytelling“ hat sich seit Jahrtausenden bewährt, um Menschen selbst abstrakte Inhalte nahe zu bringen. Wie Storytelling in der digitalen Welt funktioniert, demonstriert seit vielen Jahrzehnten die Unterhaltungsindustrie.
Schlüssel 4: Emotionen wecken
Eine hohe emotionale Beteiligung des Lernenden ist nach neurowissenschaftlichen Erkenntnissen einer der wichtigsten Schlüssel zum Lernerfolg. Emotionen helfen unserem Gehirn, Informationen schneller zu verarbeiten und nachhaltiger zu speichern. Um in einer digitalen Umgebung starke Emotionen zu wecken, kommt wieder das Storytelling ins Spiel: werden an sich nüchterne Inhalte in einer emotionsgeladenen Story verpackt, erhöht sich weiter die Chance, dass diese gespeichert werden.
Schlüssel 5: Erfolgserlebnisse ermöglichen
Was passiert, wenn wir eine Lernaufgabe erfolgreich erledigen? In der Regel freuen wir uns, und je nach Schwierigkeit der Aufgabe kann ein regelrechtes Glücksgefühl entstehen. Die Gehirnforschung hat dazu festgestellt, dass dies ein entscheidender Faktor für die nachhaltige Verankerung des Gelernten ist. Auch hier kann sich die digitale Lehre an einer bewährten Technik der Unterhaltungsindustrie orientieren: um Spieler bei der Stange zu halten, werden in den meisten Computerspielen stetige Erfolgserlebnisse durch das Bewältigen einzelner Aufgaben und das Erreichen von höheren Leveln erreicht.
Schlüssel 6: Begrenzte Aufnahmefähigkeit berücksichtigen
Doch bei aller Aktivierung, Emotionalisierung und Belohnung räumt selbst die Neurowissenschaft ein, dass unsere Aufmerksamkeit zwar wichtig, aber begrenzt ist. In einer digitalen Umgebung ist die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne noch deutlich begrenzter, als in der analogen Welt. Ein Trick, um dennoch komplexe Inhalte zu platzieren, besteht in deren Zerteilung in kleine „Lernnuggets“, die über die aus Serien bewährten Technik der „Cliffhanger“ ineinandergreifen.
Schlüssel 7: Fleiß steht über dem Genie
Je häufiger unser Gehirn neue neuronale Pfade nutzt, desto leichter fällt es ihm, diese im Alltag zu begehen. „Übung macht den Meister“ gilt daher auch für digitale Lernumgebungen. Je höher die Interaktionsmöglichkeit der Lernenden, desto mehr Möglichkeiten bieten sich, das Erlernte zu üben. Gute Beispiele sind Flugsimulatoren, Bahnsimulatoren oder Maschinensimulatoren, an denen die Lernenden zahlreiche Übungsstunden verbringen. Simulationen lassen sich aber auch mit nicht technischen Themen verbinden, wie z.B. die guten Erfahrungen zeigen, die wir mit unserer Simulations-App „Führung im Alltag“ sammeln.
Schlüssel 8: Die Grenzen des Digitalen berücksichtigen
Allerdings stehen wir gerade im Verhaltensbereich erst am Anfang dieser Entwicklungen. Bis diese Entwicklungen weiter fortgeschritten sind, empfehlen wir den Blended Learning Ansatz, also eine Kombination der jeweiligen Vorteile aus der analogen und der digitalem Lernwelt. Die Faustformel hierzu lautet: Digitales Lernen eignet sich optimal zur Vermittlung von Fakten- und Hintergrundwissen, Coachings und Präsenztrainings mit einem möglichst hohen Interaktionsanteil – z.B. durch den Einsatz von Simulationen und spielerischen Trainingstools – erweisen sich beim Lernziel „Verhaltensänderung“ als überlegen. Webinare und Onlinecoaching bilden ein gutes Bindeglied zwischen der digitalen und der analogen Welt.
Der Blended Learning Schlüsselbund
Wie die passende Didaktik in Blended Learning Konzepten aufbereitet wird, fassen wir derzeit ausführlich in einem Buch und einem begleitenden Video-Blog für Sie zusammen: www.blended-learning-news.de
Wünschen Sie eine persönliche Beratung oder interessieren Sie sich für unsere vielfältigen Blended Learning Angebote? Sprechen Sie uns an! www.schirrmachergroup.de/kontakt

Sybille und Uwe Schirrmacher
Uwe Schirrmacher ist Gründer und Geschäftsführer der SchirrmacherGroup. Der ehemalige Personalchef entwickelt für Unternehmen gehirngerechte Lernarchitekturen und bindet „Gamification“ erfolgreich in die Personalentwicklung mit ein.
Sybille Schirrmacher leitet die Planspielentwicklung und den Bereich Blended Learning in der SchirrmacherGroup. Die Fernsehjournalistin verfügt über langjährige Führungserfahrung, u.a. bei dem Wissensformat „Welt der Wunder“.