Veränderte Lerngewohnheiten: Weiterbildungsdienstleister erkennen Handlungsbedarf

Präsenztrainings und E-Learning, das haben viele Weiterbildungsdienstleister bislang strikt getrennt. Angeboten wurden entweder Präsenzseminare oder E-Learning, selten beides. Das könnte sich jetzt ändern. Darauf weist die Trendstudie 2020 der im Wuppertaler Kreis zusammengeschlossenen Weiterbildungsdienstleister der Wirtschaft hin.
Einmal im Jahr befragt der Wuppertaler Kreis seine Mitglieder zu den Trends in der Weiterbildung. Der Verband vereint Bildungswerke der Wirtschaft von Niedersachsen bis Bayern, Anbieter von DB Training bis FAW und Verbände wie Gesamtmetall und Familienunternehmen. Illustre Namen also, von denen man gleichzeitig aber durchaus sagen kann, dass sie eher als konservativ gelten. Bis zum letzten Jahr waren die vom Verband ausgerufenen Trends in der betrieblichen Weiterbildung dann auch alles andere als digital. So war es schon eine Überraschung, als die Trendumfrage 2019 eine zarte Annäherung an das digitale Lernen bot. Ohne, so hieß es, komme man auf Dauer nicht aus. In der neuesten Trendstudie zeigten sich 89 Prozent der Wuppertaler Kreis-Mitglieder nun weitgehend überzeugt: Die in der Covid-19-Pandemie eingeführten Arbeitsformen machen die Digitalisierung der betrieblichen Weiterbildung unumgänglich.
Ist das jetzt ein notgedrungenes Fähnchen in den Wind hängen oder steckt dahinter tatsächliche Einsicht? Zwei Dinge dürften entscheidend sein, und darauf weisen auch weitere Ergebnisse der Trendumfrage hin: Es geht für viele Anbieter von Präsenztrainings tatsächlich ums blanke Überleben, ob sie nun im Wuppertaler Kreis vertreten sind oder nicht. Seit die Covid-19-Pandemie zum Lockdown führte, fehlen die Einnahmen fehlen. Webinare, auf die einige kurzfristig umgestellt haben, erzielen in der Regel nur geringe Einnahmen oder werden kostenlos zur Verfügung gestellt. Aktuell sind aufgrund der Lockerungen zwar wieder Präsenztrainings möglich und haben wieder Zulauf. Aber die Zahl der Teilnehmenden wird aller Voraussicht nach nie wieder auf das Niveau vor der Krise steigen. Zum zweiten erkennen sowohl Anbieter wie Kunden, dass sie mit der Zeit gehen müssen und Unternehmen ihre betrieblichen Lernangebote an die Lerngewohnheiten der unterschiedlichen Generationen oder besser noch der verschiedensten Bedarfe und Bedürfnisse anpassen.
Die Trendstudie gibt auch Hinweise darauf, wie Weiterbildungsangebote zukünftig gestaltet sein sollten. Demnach stimmen 90 Prozent der Befragten zu oder eher zu, dass Weiterbildungsangebote zukünftig unterhaltsamer sein und Spaß machen sollten. Immerhin 57 Prozent der Befragten messen Gamification oder Serious Games eine hohe bis sehr hohe Bedeutung zu. Bei den digitalen Lernformaten gewinnt in der Trendumfrage Microlearning mit 92 Prozent vor multimodalem Lernen (Lernen mit allen Sinnen) mit 86 Prozent und VR-Trainings mit 65 Prozent.
Dabei sind sich die Weiterbildungsdienstleister im Wuppertaler Kreis auch bewusst, dass ein Präsenztrainer zu sein nicht gleich bedeutet, für Online-Trainings qualifiziert zu sein. Die Einsicht bei der Mehrheit der Befragten lautet vielmehr, dass die Ausrichtung auf digitales Lernen umfassend andere Qualifikationen erfordert. Dem entsprechend ist man sich auch bewusst, das man Partner mit Expertise braucht, um digitale Lernangebote unters Volk zu bringen. Hier gelten insbesondere die Anbieter von Lern- und Wissensplattformen als geeignet.
Was bedeutet die neue Trendstudie des Wuppertaler Kreis? Viel Arbeit für alle mit beruflicher Weiterbildung beschäftigten, lautet die kurze Antwort. Weiterbildungsdienstleister, extern wie intern, müssen aus den Erkenntnissen jetzt Taten folgen lassen. Die Zusammenarbeit von E-Learning- und Präsenzanbietern eröffnet beiden neue Chancen auf Umsätze und auf wirklich gute Produkte, die Lernenden und damit auch ihren Arbeitgebern zugute kommen. Die Chance ist groß, dass die häufig praktizierte strikte Trennung zwischen E-Learning und Präsenz aufgehoben wird und Lernende sich aus einem großen Angebot diejenigen Formate aussuchen können, die ihren eigenen Lernvorlieben entsprechen. Umgekehrt gilt natürlich auch für die Personalentwicklung, dass es endlich möglich werden könnte, individuelle Lernpfade zusammenzustellen, so dass Lernen noch effektiver wird. Gleichzeitig sollte der Blick auf die Themen gelenkt werden, die laut Trendstudie immer noch als weniger wichtig angesehen werden: Data Analytics und die Integration von Big Data in Lernangebote. Sich näher mit diesen Themen zu beschäftigen, könnte noch bessere Lernangebote für Lernende bedeuten. Vor allem aber wird, wer messbare Ergebnisse vorlegen kann, als Verhandlungspartner auf höchster Ebene ernst genommen. Fakten überzeugen, vor allem, wenn es ums Geld und Investitionen geht. Wenn die Rendite stimmt, sind Investitionen in Weiterbildung nicht nur notwendiges Übel, sondern eine strategische Investition in die Zukunft.

Gudrun Porath
Gudrun Porath ist freie Journalistin und Moderatorin. Die studierte Kulturwissenschaftlerin arbeitete für Tageszeitungen, bis sie 1999 zu einem jungen Kommunikationssoftware-Unternehmen wechselte und dort unter anderem nach dem Börsengang die Finanzmarktkommunikation verantwortete. 2005 machte sie sich als Journalistin selbstständig und spezialisierte sich auf die Themen digitales Lernen und Weiterbildung, über die sie seitdem für Fachzeitschriften schreibt und Veranstaltungen moderiert. Auf haufe.de erscheint ihre E-Learning-Kolumne.
Super geschriebener und informativer Artikel :-). Eine sehr gute Aufstellung. In diesen Blog werde ich mich noch richtig einlesen 🙂