Digitales Lernen: Lernende und Investoren im Visier

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Quelle: © Nadine Shaabana, www.unsplash.com

Digitales Lernen ist im Jahr 2020 zur Norm geworden. Wenn ein Großteil der Belegschaft im Home Office sitzt, Kontaktbeschränkungen gelten und der Laden trotzdem weiterlaufen muss, geht es nicht anders. Doch wie sind die Aussichten für die Zeit, wenn Präsenzlernen wieder möglich ist? Gehen Sie davon aus, dass digitales Lernen die Norm bleibt und Präsenzlernen die Nische wird.

Die Pandemie hat Umbrüche hervorgebracht, von denen wir nicht zu träumen gewagt hätten. Selbst wenn alle durchgeimpft sind und die Mehrheit wieder ins Office geht, wird die neue Normalität eine andere sein. Dazu gehört, dass digitales Lernen die Norm und Präsenzlernen die Nische und das Besondere sein wird. Weltweit ist ein verstärktes Interesse von Investoren an E-Learning-Anbietern zu verzeichnen, wer keinen Investor findet, sucht anderswo nach frischem Geld oder tut sich zusammen, um noch stärker zu werden. Gut, man könnte jetzt sagen, davon habe ich im deutschsprachigen Raum noch gar nichts gemerkt. Mit der Technologie jedenfalls hat das nichts zu tun, da können sie durchaus mithalten. Aber weil die meisten in Privatbesitz sind oder im internationalen Vergleich eben nicht besonders groß, kommt erstens weniger an die Öffentlichkeit, zweitens kommen Zusammenschlüsse und Übernahmen womöglich erst noch und drittens ist der deutschsprachige Markt überschaubar und damit für Investoren weniger interessant.  Im Augenblick heißt es für viele Anbieter einfach nur: Durchhalten, bis die Zeiten wieder besser werden und die Kunden wieder Geld für Weiterbildung ausgeben, die über das Überlebensnotwendige hinaus geht.

Lerntechnologie – Lernende im Mittelpunkt

Die Zukunft zählt also, und das betrifft auch diejenigen in Learning & Development, die sich damit beschäftigen, was sie ihren Lernenden anbieten können und müssen, um deren persönlichen Ziele und die Ziele des Unternehmens zu erreichen, wenn die Wirtschaft wieder durchstartet. Dass Lernende und ihre persönliche Lernerfahrung dabei im Mittelpunkt stehen, kommt nicht von ungefähr. Schließlich weiß man zwar schon lange, dass nur eine positive, natürlich auch relevante Lernerfahrung, zum gewünschten Lernfortschritt führt. Mit der Umsetzung haperte es aber oft genug aus den verschiedensten Gründen. An der Technologie sollte es jetzt nicht mehr liegen. Nehmen wir zum Beispiel den Trend Künstliche Intelligenz und ihr Einsatz in Lerntechnologien. Mit künstlicher Intelligenz lässt sich aufgrund der Auswertung von Daten sowohl das personalisierte Lernen verbessern als auch bessere Lernempfehlungen machen. KI stützt auch die Technologie-Trends Learning Analytics und Adaptive Learning. Nachdem es in der E-Learning-Branche ein bisschen still um das Thema KI geworden war, hat Cornerstone es wieder in die Schlagzeilen gebracht. Das Unternehmen hat Anfang Dezember bekannt gegeben, in Paris ein neues Kompetenzzentrum „Innovation Lab for AI“ zu gründen und für die eigenen Datenwissenschaftler und Experten für maschinelles Lernen ein zentrales Labor zu schaffen. Cornerstone will damit einerseits Menschen helfen und ihnen Karrieremöglichkeiten eröffnen. Im Gegenzug sollen Unternehmen bessere Einblicke in ihr Geschäfte gewinnen, bessere Vorhersagen treffen und effektiv auf dynamische geschäftliche Veränderungen reagieren können. Damit macht Cornerstone nichts anderes als 75 Prozent der 200 Unternehmen, die erst im September von der Unternehmensberatung Gartner befragt wurden. Sie gaben an, im Laufe der nächsten sechs bis neun Monate ihre KI-Initiativen fortzusetzen oder neue zu starten.

Auch wenn es um Learning Experience Plattformen geht, ist die Werbung mit KI meist nicht weit. Ziel dieser Plattformen ist es, den Lernenden eine Plattform anzubieten, die einen einfachen und offenen Austausch von Fachkenntnissen ermöglich und ihnen personalisierte, interaktive Lernerfahrungen anzubieten. Docebo etwa, ursprünglich ein italienischer E-Learning-Anbieter, wirbt damit, ein LMS „mit KI-Superkräften“ (Zitat Website) anzubieten, das zugleich ein LXP ist. Das auch in Deutschland bekannte Unternehmen hat sich an den Börsen in Toronto und New York frisches Geld besorgt, um seine Expansion voranzubringen.

Lernformate – Vielfalt ohne Ende

Den Trend der Trainings im virtuellen Klassenraum werden wir wohl noch länger sehen. Schließlich war das für viele Unternehmen wie Trainer die schnellste Variante, Präsenztrainings doch noch irgendwie umsetzen zu können. Die Aachener Edudip GmbH, Entwickler und Anbieter einer Webinar-Software, verkündete in den „Aachener Nachrichten“ im Juli ein „goldenes Zeitalter“ des Unternehmens. Das Geschäft sei plötzlich explodiert. Gleichwohl arbeiten die ersten E-Learning-Anbieter an Alternativen in der Form, Präsenztrainings bzw. Trainings im virtuellen Klassenraum noch schneller und effektiver als bislang in E-Learning-Kurse umzuwandeln. CrossKnowledge etwa hat sich mit der preisgekrönten Autorenplattform Elucidat verpartnert. Erklärtes Ziel der Partnerschaft: Die Bereitstellung personalisierter und attraktiver Schulungen für große Unternehmen durch E-Learning zu beschleunigen und zu erweitern. Damit ermögliche man Organisationen, vom virtuellen Klassenzimmer wegzukommen und E-Learning-Inhalte superschnell zu produzieren. Elucidat sieht sich für die neue Arbeitswelt besonders geeignet, da die Plattform ein Kollaborationstool beinhaltet, dass den Prozess der Herstellung einschließlich Feedbackschleifen automatisiert.

Ebenfalls weiter im Trend liegen Microlearning/Learning Nuggets und Gamification. Beide profitieren voneinander – Gamification macht Microlearning noch attraktiver und umgekehrt, Microlearning pusht Gamification. Ein Beispiel: Die norwegische Kahoot-Group. Kahoot, auf Platz 24 der Top 100 Tools for Learning der britischen E-Learning-Expertin Jane Hart verzeichnet, ist eine Lernplattform und App, mit der sich in wenigen Minuten kleine Wissensspiele kreieren lassen. Gegründet 2013, hat das Unternehmen eigenen Angaben zufolge mittlerweile einen Marktwert von 3 Milliarden Dollar. Im Frühherbst beteiligte sich Softbank mit 215 Millionen Dollar an Kahoot, im November kaufte das Unternehmen Drops, eine ebenfalls stark wachsende Sprachlern-App. Der Clou: Kahoot setzte frühzeitig auf eine Zusammenarbeit mit dem Video-Tool Zoom. Demnächst soll eine volle Zoom-Integration möglich sein.

Videos und das Lernen mit Erklärfilmen ist bereits seit ein paar Jahren ganz weit vorn bei den bevorzugten Lernformaten, zum Beispiel im jährlichen MMB-Learning Delphi. Dieser Trend hat auch das Aufkommen von Online Lern-Marktplätzen gefördert. Diese Lern-Marktplätze bieten  einen ganzen Katalog von Kursen in den unterschiedlichsten Bereichen an und in der Business-Variante zum Teil sogar LMS-Funktionalitäten für Unternehmen. Zu den großen internationalen Namen gehören zum Beispiel LinkedIN Learning, Udemy und Udacity oder auch das als MOOC-Plattform bekannt gewordene Coursera. Allen gemeinsam ist, dass der Erfolg nur schleppend kam, selbst zu Beginn der Pandemie. Mittlerweile aber ist das Geschäftsmodell so interessant für Investoren geworden, dass Udemy, Udacity und Coursera frisches Geld bekommen haben. Lern-Marktplätze mit Online-LMS für Unternehmen bietet in Deutschland zum die Berliner quofox GmbH an. Deren Unternehmenskunden haben über das LMS mit Standardfunktionen wie Freigabeprozess und Berichtswesen Zugriff auf alle auf der Plattform gelisteten Kurse der unterschiedlichsten Anbieter.

In der Pandemie haben Kollaborationstools wie Microsoft Teams oder Slack eine enorme Bedeutung erlangt und sind als Tool für soziales und kollaboratives Lernen  interessant geworden. Microsoft plant für das hauseigene Teams  eine Learning App, was Salesforce mit dem gerade erworbenen Slack vorhat, könnte in eine ähnliche Richtung gehen.

Eintauchen in fremde Welten – das ist gerade in Corona-Zeiten keine ganz schlechte Aussicht. Und weil die Technik immer günstiger wird und gleichzeitig die Wirksamkeit immer deutlicher, ist sicher auch die Entwicklung von Virtual Reality noch nicht am Ende.

Bleiben am Ende noch die Themen, die besonders interessant werden. Skillsoft, nach einem Chapter 11-Verfahren kurz vor der Übernahme durch einen Investor, wird sich mit dem neuen Geld den IT-Trainingsanbieter Global Knowledge einverleiben. IT-Themen und alles was digitale Kompetenzen ausmacht ist und bleibt gefragt. Die Pandemie hat jedoch auch Soft Skills einen neuen Schub verpasst. Das Thema Resilienz zum Beispiel hatte selten eine größere Bedeutung.

Foto von Autorin Grudun Porath_Autorin der Trendkolumne
Gudrun Porath
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Gudrun Porath ist freie Journalistin und Moderatorin. Die studierte Kulturwissenschaftlerin arbeitete für Tageszeitungen, bis sie 1999 zu einem jungen Kommunikationssoftware-Unternehmen wechselte und dort unter anderem nach dem Börsengang die Finanzmarktkommunikation verantwortete. 2005 machte sie sich als Journalistin selbstständig und spezialisierte sich auf die Themen digitales Lernen und Weiterbildung, über die sie seitdem für Fachzeitschriften schreibt und Veranstaltungen moderiert. Auf haufe.de erscheint ihre E-Learning-Kolumne.

Gudrun Porath

Gudrun Porath ist freie Journalistin und Moderatorin. Die studierte Kulturwissenschaftlerin arbeitete für Tageszeitungen, bis sie 1999 zu einem jungen Kommunikationssoftware-Unternehmen wechselte und dort unter anderem nach dem Börsengang die Finanzmarktkommunikation verantwortete. 2005 machte sie sich als Journalistin selbstständig und spezialisierte sich auf die Themen digitales Lernen und Weiterbildung, über die sie seitdem für Fachzeitschriften schreibt und Veranstaltungen moderiert. Auf haufe.de erscheint ihre E-Learning-Kolumne.

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