Remote Leadership: Wie virtuelle Führung funktioniert

Titelbild zum Interview mit Daniel Holzinger zum Thema Remote Leadership
Titelbild: Jehyun Sung on Unsplash

Pandemiebedingt führen viele Organisationen ihre Teams vollständig oder teilweise virtuell. Homeoffice und Remote Work sind zum „neuen Normal“ geworden. Dennoch hinkt in vielen Unternehmen die kulturelle Veränderung der technischen hinterher. Worauf es in Zukunft in Sachen Remote Leadership ankommen wird, beschreibt Berater Daniel Holzinger auf der L&Dpro Online Konferenz am 22. Februar 2022. Im Interview gibt er vorab einige Einsichten.

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Daniel Holzinger

Herr Holzinger, in der Pandemie mussten Unternehmen auf eine rein virtuelle Führung umsteigen. War das für viele ein großer Schritt?

Ja, sogar ein sehr großer. Homeoffice und Remote Work waren vor der Pandemie in den meisten Unternehmen im deutschsprachigen Europa ja gar kein Thema. Ich kann mich noch an viele Diskussionsrunden mit CEOs erinnern, die meinten, dass eine örtliche Flexibilisierung der Arbeit nicht möglich oder erwünscht sei. Und heute stehen die gleichen CEOs auf der Bühne und verkünden, wie gut diese Umstellung funktioniert hat. Wenn wir bedenken, wie schnell Unternehmen zu Beginn der Pandemie reagieren mussten, hat es auch ganz gut funktioniert. Die Frage ist aber, wie nachhaltig diese neue Flexibilisierung verankert wurde und ob sich daraus auch Wettbewerbsvorteile ergeben.

Wie meinen Sie das? Was läuft in der Praxis noch schief?

Zum Teil hat man sich mit der Situation zähneknirschend abgefunden. Sehr oft beobachten wir aber, dass Unternehmen die Umstellung nach den initialen Aktivitäten nicht ausreichend weiterverfolgen. Sie haben beispielsweise Lösungen für Online-Meetings eingeführt und damit eine technologische Basis geschaffen. Eine kulturelle Veränderung, die unbedingt dazugehört, braucht aber wesentlich mehr Zeit und genau hier ist eine genauere Betrachtung hilfreich.  

Wenn ich von kulturellen Veränderungen spreche, dann spreche ich gerne über das Thema Vertrauen. Diverse Umfragen zeigen, dass wir seit vielen Jahren in ganz vielen Unternehmen eine Vertrauenskrise haben, die sich durch die Coronakrise noch weiter verschärft hat. Das müssen wir unbedingt ändern, um Homeoffice und Remote Work nachhaltig besser zu machen und Produktivitätsvorteile zu erschließen.

Woran machen Sie diese Vertrauenskrise fest und welche Ursachen hat sie?

56 Prozent der Arbeitskräfte finden beispielsweise, dass sie außerhalb des Büros produktiver sind. Das zeigt eine aktuelle Studie von Forrester im Auftrag von LogMeIn.  Dieser Aussage stimmen allerdings nur fünf Prozent der Führungskräfte zu. Weiters finden 61 Prozent der Arbeitskräfte, dass sie im Homeoffice an einem 8-Stunden-Tag mehr schaffen. Und gleichzeitig haben nur neun Prozent der Entscheidungsträger das nötige Vertrauen in ihre Teams. Man sieht also sehr gut, dass es hier ein großes Gap zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften gibt. In den meisten Unternehmen gab es ja vor der Pandemie Kontrolle durch Anwesenheit. Wenn Anwesenheit also nicht mehr kontrolliert werden kann, dann braucht es mehr ergebnisorientierte Ziele.    

Worauf wird es in Sachen Leadership in Zukunft ankommen?

Wenn wir uns die Kündigungswellen in den USA ansehen, dann müssen wir uns die Frage stellen, wie wir Mitarbeitende besser an das Unternehmen binden können. Wir müssen mit einer gelebten Vertrauenskultur die Basis schaffen, um neue Wege einzuschlagen. Dazu gehört zum Beispiel, in der Führung als Coach zu agieren, die Gesundheit der Mitarbeitenden in den Fokus zu nehmen, eine bessere Fehler- und Veränderungskultur zu etablieren, die Diversity nicht zu vernachlässigen sowie Nachhaltigkeit und Agilität zu fördern. Es gibt jedenfalls viel zu tun und Führung bleibt auch weiterhin eine große Herausforderung.   

Was müssen Führungskräfte besonders beachten, wenn sie Mitarbeitende auf Distanz führen?

Da Unternehmen und Organisation zum Teil sehr unterschiedliche Ausgangssituationen haben, gibt es kein Standard-Kochrezept abseits der allgemeinen und bekannten Empfehlungen. Im ersten Schritt ist es meiner Meinung nach unglaublich wichtig, sich die Frage zu stellen, wie die jeweilige Ausgangssituation ist. Führungskräfte laufen vielen Trends und allgemeinen Empfehlungen nach, ohne zu wissen, wo sie sich befinden und ob es überhaupt zu ihnen und ihren Teams passt. Eigentlich ist es wie beim Segeln: Ich weiß vermutlich, wo hin ich will – also das Ziel habe ich definiert. Den Kurs kann ich aber erst dann bestimmen, wenn ich genau weiß, wo ich mich befinde und mit welchen äußeren Einflussfaktoren ich auf meiner Route rechnen muss. Was für den Segler einfach ist, ist für Führungskräfte zum Teil eine richtige Herausforderung.

Veranstaltungstipp

Daniel Holzinger hält eine Keynote auf der L&Dpro Online Konferenz am 22. Februar 2022 von 9 bis 9.45 Uhr.

Zur Person: Daniel Holzinger blickt auf rund 20 Jahre Erfahrung in der Beratungs- und Informationstechnologie-Branche zurück. Er bekleidete internationale Managementpositionen als COO, Vice President und Geschäftsführer in den Bereichen Vertrieb, Marketing, Public Relations, Partnermanagement, Business Development, IT und HR. Darüber hinaus war er mehrere Jahre als Lektor für Marketing- und Vertriebscontrolling an der FH Wien tätig. Derzeit ist er als Geschäftsführer bei Colited Management Consultancy tätig.

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